Bundesverwaltungsgericht kippt Teile der Berliner Vorkaufspraxis

Das Bundesverwaltungsgericht hat das Vorgehen der Berliner Bezirke bei der Ausübung des Vorkaufsrechts in Teilen für rechtswidrig erklärt. Das geht aus einer am 09. November 2021 bekanntgegebenen Entscheidung der Bundesrichter hervor. Damit kassiert die rot-rot-grün geprägte Mieten- und Wohnungspolitik der vergangenen Legislatur die nächste juristische Pleite.

Das gemeindliche Vorkaufsrecht dürfe im Geltungsbereich eines sozialen Erhaltungsgebietes nicht allein auf der Annahme ausgeübt werden, der Käufer einer Immobilie werde in Zukunft nicht mit den Zielen des Milieuschutzes vereinbare Nutzungsabsichten verfolgen, so die Richter in Leipzig. Das Bundesverwaltungsgericht hat damit ein vorinstanzliches Urteil des Berliner Oberverwaltungsgerichts aufgehoben.

Susanne Klabe, Geschäftsführerin des BFW Landesverbandes Berlin/Brandenburg begrüßt die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts: „Dies ist eine wichtige Entscheidung der Bundesrichter. Sie sorgt für mehr Rechtssicherheit bei Immobilienkäufen und schärft die Konturen der bisweilen ausufernden Vorkaufspraxis in Berlin. Gleichzeitig sendet das Bundesverwaltungsgericht ein klares Signal an Mieterinnen und Mieter: Ein Eigentümerwechsel bedeutet nicht zwangsläufig Luxussanierung, Umwandlung und Verdrängung. Im Gegenteil: Viele kleinere und mittelständische Vermieter sind eng mit der Stadt und ihren Einwohnerinnen und Einwohnern verbunden und sind sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst.“

In dem vorangegangenen Rechtsstreit hatten die Richter des Oberverwaltungsgerichts in Berlin das bezirkliche Vorkaufsrecht mit dem Argument bejaht, es sei zu befürchten, dass der Käufer eine erhaltungswidrige Nutzung anstrebe, also beispielsweise durch Modernisierungen und entsprechende Mieterhöhungen angestammte Mieter verdränge. Das Bundesverwaltungsgericht ist diesem hypothetisch geprägten Argument nicht gefolgt. Vielmehr sei das Vorkaufsrecht ausgeschlossen, wenn das Grundstück gemäß den Vorgaben und Zielen des Milieuschutzes bebaut ist und genutzt wird. Ob dies der Fall ist, dürfe zudem nur im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts beurteilt werden. Gedankenspiele über mögliche zukünftige Nutzungsabsichten des Erwerbers können damit zur Begründung eines Vorkaufsrechts der Gemeinde nicht mehr herangezogen werden.

„Diese richtungsweisende Entscheidung ist der nächste juristische Rückschlag für die Mieten- und Wohnungspolitik der letzten fünf Jahre. Anstatt weiterhin Unsummen von Steuergeldern in den Ankauf bestehender Gebäude zu stecken, sollte sich der künftige Senat endlich auf den Mietwohnungsneubau konzentrieren und eine intelligente Förderung zur Schaffung von Wohnraum für alle Einkommensgruppen auf die Beine stellen“, sagt Susanne Klabe.

Zwar wurden bislang noch nicht die vollständigen Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das Urteil dürfte aber weitreichende Folgen für die künftige Ausübung kommunaler Vorkaufsrechte haben, indem es ein gern genutztes Schlupfloch der Gemeinden stopft. Gleichzeitig beendet das Bundesverwaltungsgericht die „Friss-oder-Stirb-Praxis“ mancher Berliner Bezirke: Vielfach konnten private Käufer und Investoren die Ausübung des Vorkaufsrechts nur verhindern, indem sie weitreichende Abwendungsvereinbarungen unterzeichneten.

Dennoch wirft die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auch zahlreiche Fragen auf: Wie ist nach der Entscheidung mit möglichen Vorkaufsrechten umzugehen und welche Auswirkungen hat das Urteil auf künftige oder bereits geschlossene Abwendungsvereinbarungen? Der BFW Landesverband Berlin/Brandenburg bietet unter anderem hierzu noch im November ein Seminar an.

Hier gelangen Sie zur Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.11.2021