Viel Lärm um überschaubare Fallzahlen – Zweckentfremdung ist kein Massenphänomen
Die von den Grünen-Abgeordneten Schmidberger und Omar jüngst gestellte Schriftliche Anfrage zum Thema „spekulativer Leerstand und illegale Ferienwohnungen“ sollte mutmaßlich Aufschluss über das Ausmaß profitgetriebener Zweckentfremdung von Wohnraum geben – doch die Ergebnisse zeichnen ein anderes Bild: Nur 368 leerstehende Wohnungen wurden 2024 im Bezirk Mitte gemeldet, etwa die Hälfte davon ist bereits wieder regulär vermietet. In den meisten Fällen erfolgte der Leerstand im Zusammenhang mit notwendigen Sanierungsmaßnahmen. Der Vorwurf spekulativen Leerstands erweist sich damit in der Praxis als kaum haltbar.
Auch im Bereich der Ferienwohnungen ergibt sich ein ähnliches Bild: Von den 181 im Bezirk Mitte gemeldeten Fällen handelte es sich nur in einem Teil überhaupt um genehmigungspflichtige Nutzungen. In 139 Fällen wurde die Zweckentfremdung entweder beendet oder stellte sich nach Prüfung als unbegründet heraus. Nur ein Bruchteil aller Fälle führt zu tatsächlichen Rückführungen – und noch seltener zu Bußgeldern. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Die angeblich strukturelle Zweckentfremdung in Berlin ist ein Randphänomen.
Auch der Blick auf ganz Berlin ändert daran nicht viel: Seit Einführung des Zweckentfremdungsverbots im Jahr 2014 wurden bis Ende 2024 insgesamt 27.813 Wohnungen nach einer Zweckentfremdung dem regulären Wohnungsmarkt zurückgeführt. Das sind berlinweit also im Schnitt rund 2.781 Fälle pro Jahr, bei denen eine Zweckentfremdung überwiegend aufgrund eines Leerstands ausgelöst wird, der zur Durchführung notwendiger Sanierungsarbeiten eben länger als drei Monate dauert. Das heißt auch, im Schnitt sind pro Jahr rund 0,14 Prozent des Berliner Wohnungsbestands (N = 2.030.259 WE) von mutmaßlicher Zweckentfremdung betroffen. Mit anderen Worten: heiße Luft.
Zugleich lässt sich aber ein Muster erkennen: Wo einzelne Fälle medial und politisch aufgegriffen werden, wird häufig das Bild vom spekulierenden Investor bemüht – wie sich auch in der Fragestellung der Abgeordneten in der schriftlichen Anfrage zeigt. Dabei verschleiert die Rhetorik rund um „Investoren“ eine wichtige Realität: Zweckentfremdung durch die Unter- oder Weitervermietung zu touristischen Zwecken erfolgt in der Praxis in aller Regel nicht durch Eigentümer oder professionelle Wohnungsunternehmen – sondern durch Mieterinnen und Mieter selbst. Ein Mitgliedsunternehmen bringt es gegenüber dem BFW Landesverband Berlin/Brandenburg auf den Punkt: „Es entsteht eine Art Schwarzmarkt – aber nicht auf der Eigentümerseite, sondern durch diejenigen, die die tatsächliche Sachherrschaft innehaben, also die Mieterinnen und Mieter.“
Für die Wohnungswirtschaft ist diese Situation problematisch: Das medial gezeichnete Bild des profitgetriebenen Vermieters verfängt; schnell steht eine ganze Branche unter Generalverdacht. Häufig allerdings zu Unrecht. Fälle von Weitervermietung ohne Wissen oder Einverständnis der Eigentümer sind schwer zu kontrollieren, Verstöße oft erst im Nachhinein feststellbar. Dennoch wird das Fehlverhalten Dritter, also in aller Regel das der Hauptmieter, in der öffentlichen Debatte regelmäßig als Beleg für angebliche Missstände in der Branche herangezogen.
Der BFW Landesverband Berlin/Brandenburg fordert daher eine sachlichere Debatte über das Zweckentfremdungsverbot. Regulierungen müssen differenzieren zwischen berechtigten Maßnahmen zum Schutz des Wohnraums und pauschalisierenden Unterstellungen gegenüber der gesamten Wohnungswirtschaft. Der politische Reflex, strukturelle Probleme zu konstruieren, wo in Wahrheit nur Einzelfälle bestehen, hilft weder der Stadt noch dem Wohnungsmarkt – und schon gar nicht den Menschen, die dringend bezahlbaren Wohnraum benötigen.
Hier gelangen Sie zur schriftlichen Anfrage der Abgeordneten Schmidberger und Omar.