Liebe eMO, wie schafft man Ladeinfrastruktur in Bestandsgebäuden? – Ein Interview

Ob man schon von einem Boom sprechen möchte, sei erstmal dahingestellt. Aus dem Straßenbild sind sie aber nicht mehr hinwegzudenken: Zunehmend mehr Elektrofahrzeuge rollen auf deutschen Straßen. Mehr und mehr Autohersteller kündigen zudem ihren Rückzug aus dem Verbrennerzeitalter an und wollen künftig ausschließlich auf E-Mobilität setzen – häufig bereits vor dem von der EU verordneten Aus für Verbrennermotoren ab dem Jahr 2035. Da verwundert es nicht, dass auch die Verkaufszahlen batteriegetriebener Fahrzeuge deutlich ansteigen. Im vergangenen Jahr betrug der Marktanteil von E-Autos 13 Prozent aller Neuzulassungen in Deutschland – eine Verdopplung gegenüber dem Vorjahr. Dieser Trend wird anhalten und wachsen, da sind sich die meisten Experten einig. Doch fragt man Kaufinteressenten, warum sie noch vor der Anschaffung eines Stromers zurückschrecken, werden in den meisten Fällen die Reichweiten und vor allem die in der Wahrnehmung der Verbraucher noch unzureichende Ladeinfrastruktur genannt. Das verwundert nicht, sind doch die bislang öffentlich zugänglichen „Zapfsäulen“ stets besetzt und Wall-Boxen eher etwas für Eigenheimbesitzerinnen und -besitzer.

Elektrofahrzeuge eignen sich hervorragend für die täglichen Strecken in der Stadt: zur Arbeit, zum Einkaufen oder um die Kinder zur Kita zu bringen. Doch das Laden stellt gerade Großstädte wie Berlin vor große Herausforderungen. Berlin ist eine Mieterstadt, in der mehr als 80 Prozent der Bevölkerung in Mehrfamilienhäusern wohnt. Wie lassen sich Wohngebäudebestände elektrifizieren, wenn nicht jeder Mieter über eine eigene Garage oder Carport mit Wall-Box verfügt? Welche Lösungen gibt es, um dem Platzmangel und unzureichenden Netzkapazitäten Herr zu werden und Mietern und Kaufinteressenten weiterhin ein attraktives Angebot zu bieten? Den Kopf in den Dieseltank zu stecken ist jedenfalls keine Lösung. Wir haben bei der eMO, Berlins Agentur für Elektromobilität, nachgefragt, wie sich die Schaffung von Ladepunkten auch im Gebäudebestand bewältigen lässt.

Aber zuerst: Wer ist eigentlich die eMO und was macht sie?

Wir unterstützen die Berliner Wirtschaft beim Wandel der Mobilität durch die Erprobung und Verbreitung klimagerechter und innovativer Mobilitätslösungen. Als Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Wissenschaft sowie öffentlicher Hand im Land Berlin begleiten wir die Umsetzung von Projekten, vernetzen zentrale Akteurinnen sowie Akteure und bieten Informationen zu Elektromobilität und Neuer Mobilität für Berlin und Brandenburg.

Als Agentur des Landes Berlin wird die eMO von der Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH getragen und maßgeblich von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe gefördert. Unsere Partnerinnen und Partner sind das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg sowie rund 60 Unternehmen und Institutionen aus Wirtschaft und Wissenschaft.

Unsere Aufgaben sind die Verbreitung marktreifer und marktnaher Innovationen zur Elektrifizierung des Wirtschaftsverkehrs, die bedarfsgerechte Bereitstellung von Ladeinfrastruktur sowie die Optimierung des betrieblichen Mobilitätsmanagements.

Für den bedarfsgerechten Ausbau von Ladeinfrastruktur in Berlin haben wir ein eigenes Team, welches sich nach unterschiedlichen Zielgruppen gliedert und u.a. die Themen Lade-Hubs (insbesondere Schnellladeinfrastruktur), Laden an Points of Interest (z.B. Handel), Betriebliches Laden und Laden zu Hause bearbeitet.

Die Errichtung von Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität ist keinesfalls nur ein Thema für den Neubau. Auch im Gebäudebestand lohnt sich die Nachrüstung von Ladeinfrastruktur, um mit der Mobilitätswende mitzuhalten und Mietern ein attraktives Angebot zu bieten. Dennoch gibt es hier beim Aufbau von Ladepunkten viel zu beachten. Was sind die größten Herausforderungen für die Errichtung von Ladeinfrastruktur im Bestand?

Aktuell gibt es eine Vielzahl an Herausforderungen und Hürden, die es zu überwinden gilt.

Eine Herausforderung für die Schaffung von Ladeinfrastruktur sind deren hohen Investitionskosten und gleichzeitig oft fehlende Geschäftsmodelle, um diese zu refinanzieren. Dies gilt insbesondere für (nicht öffentliche zugängliche) AC-Ladeinfrastruktur bis 11 kW (Normalladen), die klassischerweise in der Wohnungswirtschaft zum Einsatz kommt.

Ein weiterer Punkt sind häufig die begrenzten Lastreserven bei den Strom-Netzanschlüssen bei Bestandsgebäuden. Diese Netzanschlüsse können oft nicht erweitert werden oder es gibt häufig keine Niederspannungsnetzkapazitäten, um neue Hausanschlüsse installieren zu können.

Für viele Wohnungsunternehmen und WEG, die beginnen sich mit der Schaffung von Ladeinfrastruktur zu beschäftigen, ist dieses Thema, mit den gesetzlichen Anforderungen, der Vielzahl an Anbietern, den verschiedenen Lösungsansätzen und der breit gefächerten Förderlandschaft, sehr komplex und undurchsichtig. Hinzu kommt aktuell der Mangel an Installateuren und Elektrikern sowie lange Wartezeiten für die Lieferung von Hardware.

Welche Lösungsansätze gibt es hierfür?

Es gibt mehrere mögliche Lösungsansätze. Die meisten Ansätze sehen die Elektrifizierung einer Vielzahl von Stellplätzen mit AC-Ladepunkten vor, bei denen die Mieterinnen und Mieter ihre Elektrofahrzeuge nachts bis zu 14 Stunden mit bis zu 11 kW laden können. Selbst bei geringer Netzanschlusskapazität ermöglicht ein dynamisches Lastenmanagement der Stromlastreserven des Netzanschlusses, in Verbindung mit den langen Stand- und Ladezeiten, gewöhnlich eine ausreichende Zuladung für die Reichweitenbedarfe des nächsten Tages.

Es gibt auch Lösungsansätze für geteiltes Laden, bei denen sich mehrere Mieter und mitunter auch Dritte wenige Ladepunkte teilen. Ein weiterer Lösungsansatz gewährt insbesondere Betreibern von Schnellladeinfrastruktur, dass diese ihre Ladesäulen auf den Stellplätzen der Wohnimmobilieneigentümer auf eigene Kosten erstellen und öffentlich-zugänglich betreiben.

Gibt es Förderprogramme für die Errichtung von Ladeinfrastruktur?

Mit dem KfW 440 gab es ein Förderprogram des Bundes, durch das Ladeinfrastruktur in der Wohnungswirtschaft gefördert wurde. Der Fördertopf für dieses Programm ist jedoch ausgeschöpft und wird auch nicht wieder aufgefüllt.

Das landeseigene, Berliner-Förderprogram Wirtschaftsnahe Elektromobilität (Welmo) fördert Ladeinfrastruktur u.a. bei KMU und kleineren Wohnungsbaugesellschaften.

Aktuell besteht eine Förderlücke für Ladeinfrastruktur, insbesondere von nicht öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur auf privatem Grund, für relevante Akteursgruppen, wie z.B. Immobilienunternehmen und Unternehmen, die keine KMU sind, sowie Privatpersonen die Immobilien vermieten. Die eMO hat in diesem Zusammenhang ein landeseignes Förderprogramm für die Wohnungswirtschaft bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft Energie und Betriebe angeregt.

Wie unterstützt die eMO Vorhabenträger konkret?

Die eMO unterstützt Interessenten, die Ladeinfrastrukturprojekte in Berlin, u.a. auch in der Wohnungswirtschaft, umsetzen wollen. Wir ermitteln und prüfen konkrete Ladeinfrastruktur-Vorhaben. Hierbei informieren wir über die verschiedenen Nutzungs- und Ladekonzepte und die in Frage kommenden Betreibermodelle und Fördermöglichkeiten, die für Vorhaben geeignet sind. Bei Interesse vernetzen wir mit geeigneten Anbieterinnen und Anbietern sowie Betreiberinnen und Betreibern von Ladeinfrastruktur, die dann wiederum Angebote unterbreiten, die geplanten Projekte umzusetzen und bei Bedarf auch zu betreiben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Berliner Agentur für Elektromibilität wird bei uns im BFW-Arbeitskreis Immobilienmanagement am 25. August zu Gast sein. Daniel Bussin und Tim Gallus aus dem Team Infrastruktur werden Ihnen dort erläutern, wie der Ausbau der Ladeinfrastruktur in Berlin gelingen soll und welche Lösungsmöglichkeiten es für Ihre Probleme gibt.

Daniel Bussin

Zur Person

Daniel Bussin ist Projektmanager Innovation bei der Berliner Agentur für Elektromobilität eMO mit den Schwerpunkten Laden zu Hause und Betriebliches Laden. Herr Bussin hat einen Hintergrund in der Projekt- und Exportfinanzierung von Erneuerbaren Energien, Vertrieb von PV-Anlagen und Ladeinfrastruktur sowie der Entwicklung von Emissionsschutzprojekten unter dem Kyoto-Protokoll. Er hat BWL an der European School of Business in Reutlingen und der Lancaster University in England studiert.