BGH weist Berliner Landgericht in die Schranken: Ordentliche Kündigung trotz Schonfristzahlung wirksam

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 13.10.2021 (VIII ZR 91/20) seine bisherige Rechtsprechung bekräftigt, nach der eine sogenannte Schonfristzahlung zwar eine fristlose Kündigung beseitigt, nicht aber eine hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung. Mit der Entscheidung haben die Bundesrichter ein Urteil des Landgerichts Berlin aufgehoben und die Rechtsauffassung der Berliner Richter mit deutlichen Worten zurückgewiesen.

Zum Hintergrund der Schonfristzahlung

Erklärt ein Vermieter wegen Zahlungsverzugs die außerordentliche fristlose Kündigung des Mietverhältnisses, so wird die Kündigung unwirksam, wenn der Mieter innerhalb von zwei Monaten die Mietrückstände begleicht. Alternativ kann sich auch eine öffentliche Stelle (z.B. das Jobcenter) zur Tilgung der fälligen Miete verpflichten und die Kündigung damit abwenden. Die Schonfristzahlung und ihre Wirkung hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung sind ausdrücklich in § 569 Abs. 3, Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelt. Wer allerdings zu häufig in Zahlungsverzug gerät, dem verwehrt das Gesetz die Heilungsmöglichkeit: Wurde bereits eine fristlose Kündigung durch eine Schonfristzahlung abgewendet, so ist dies innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nicht erneut möglich.

Unwirksamkeit auch der ordentlichen Kündigung?

Eine weitergehende Heilungswirkung der Schonfristzahlung auch hinsichtlich einer zusätzlich zur außerordentlichen Kündigung hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung lehnt der BGH in ständiger Rechtsprechung ab.

Das sah die 66. Zivilkammer des Berliner Landgerichts anders und widersprach in ihrem Urteil vom 30.03.2020 (66 S 293/19) der gefestigten Rechtsauffassung der Bundesrichter. Das Landgericht entschied damals, dass nicht nur eine fristlose, sondern auch eine ordentliche Zahlungsverzugs-Kündigung durch die Ausgleichszahlung innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3, Nr. 2 BGB unwirksam wird. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Mieter in derartigen Fällen gegenüber einer ordentlichen Kündigung weniger geschützt werden sollte als gegenüber einer fristlosen Kündigung. Die Regelung des § 569 Abs. 3, Nr. 2 BGB beseitige die Wirksamkeit aller Zahlungsverzugs-Kündigungen. Die Anwendung der Schonfristregelung auch auf die ordentliche Kündigung sei nach der Gesetzessystematik geboten, vom Wortlaut nicht ausgeschlossen und vom Sinn und Zweck der Norm gedeckt. Ein anderes Ergebnis bedeute einen Wertungswiderspruch, und zwar auch mit sozialrechtlichen Regelungen.

BGH bestätigt ständige Rechtsprechung und richtet deutliche Worte an Berliner Landesrichter

Das Urteil des LG Berlin landete zur Revision vor dem BGH, der es kurzerhand aufhob und damit seine bisherige Rechtsprechung in der Sache fortsetzt und untermauert. Ein innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB erfolgter Ausgleich des Mietrückstands beziehungsweise eine entsprechende Verpflichtung einer öffentlichen Stelle habe lediglich Folgen für die fristlose, nicht jedoch für eine aufgrund desselben Mietrückstands hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung.

In der Begründung der Urteilsaufhebung richten die Bundesrichter deutliche Worte an die Richter der 66. Zivilkammer des Berliner Landgerichts. Die beschränkte Wirkung der Schonfristzahlung des Mieters entspreche dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers. Der durch das Grundgesetz an Gesetz und Recht gebundene Richter (Art. 20 Abs. 3 GG) dürfe die Entscheidung des Gesetzgebers nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen, die so im Gesetzgebungsverfahren (bisher) nicht erreichbar war.

Die Ausführungen der Berliner Landesrichter hätten keine Veranlassung geboten, von der gefestigten Rechtsprechung des BGH abzuweichen, so die Bundesrichter. Vielmehr missachte bereits das methodische Vorgehen, mit dem das Landgericht seine Auffassung der unmittelbaren Anwendung der Regelung zur Schonfristzahlung auf die ordentliche Kündigung zu begründen versucht, die anerkannten Grundsätze der Gesetzesauslegung.

Ausgangspunkt einer jeden Gesetzesauslegung sei grundsätzlich der Wortlaut einer Norm. Denn dieser stecke die Grenzen ab, innerhalb derer ein vom Gesetz verwendeter Begriff überhaupt ausgelegt werden kann. Anders aber als die Berliner Richter meinen, erfasse der Wortlaut der Schonfristregelung ausschließlich die fristlose Kündigung. Eine Anwendung der Heilungswirkung auch hinsichtlich der hilfsweisen ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses ist damit bislang und weiterhin ausgeschlossen.

Im Koalitionsvertrag des Landes Berlin findet sich an die Adresse des Bundes nunmehr die Forderung, über eine Änderung des BGB die ordentliche Kündigung in dieser Fallkonstellation künftig auszuschließen.

Hier gelangen Sie zum Urteil des BGH vom 13.10.2021 (VIII ZR 91/20)

Hier gelangen Sie zum vorangegangenen Urteil des LG Berlin vom 30.03.2020 (66 S 293/19)