Gemeinsamer Appell der Berliner Wirtschaft: Weiterdenken statt enteignen

Mit dem gemeinsamen Appell „Weiterdenken statt Enteignen“ wendet sich die Berliner Wirtschaft aus Anlass des anstehenden Enteignungs-Volksentscheids an die Berlinerinnen und Berliner. Die Botschaft: Mehr Kooperation statt Konfrontation zur Bewältigung der vielen Herausforderungen bei Stadtentwicklung und Wohnen in Berlin. Ein „Bündnis für Wohnen“ wäre hierfür das geeignete starke Fundament.

Am 26. September 2021 haben die Berlinerinnen und Berliner die Wahl: wie soll es in unserer Stadt weitergehen, wofür soll Berlin stehen? Neben den Wahlen zu Bundestag und Berliner Abgeordnetenhaus dabei besonders wichtig: der Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“. Weil es da um eine echte Weichenstellung geht: Für Soziale Marktwirtschaft oder für Enteignung. Für gutes Miteinander oder für Polarisierung. Für Rechtssicherheit oder für Willkür. Deshalb wird der Volksentscheid Auswirkungen haben, die weit über Berlin hinausgehen.

Versprochen wird von den Unterstützerinnen und Unterstützern einer Enteignung viel: Wohnen in Berlin würde für alle günstiger. Für Menschen mit kleinem Geldbeutel würde es leichter, eine Wohnung zu finden. Die Mieten in den enteigneten Wohnungen könnten sinken. Fakt ist aber: Diese Versprechen werden sich nicht halten lassen. Wohin so etwas führt, hat das zwischenzeitlich gescheiterte Experiment „Mietendeckel“ gezeigt: vor das Bundesverfassungsgericht – und für Hunderttausende Berliner Mieterinnen und Mieter in die Unsicherheit. Soll sich das jetzt mit dem Enteignungs-Volksentscheid wiederholen?

Hinzu kommt, dass eine Enteignung das Land Berlin mit offiziell auf bis zu 36 Milliarden Euro geschätzten Entschädigungskosten teuer zu stehen käme – ohne, dass dadurch auch nur eine der in Berlin so dringend benötigten zusätzlichen Wohnungen entsteht. Die Initiative mag die Entschädigungskosten mit fiktiven Billig-Mieten berechnen – vor Gericht hätten solche rechnerischen Tricks aber mit Sicherheit keinen Bestand. Wenn Berlin also eine Enteignung versuchen sollte, würde das Geld für eine digitale Verwaltung fehlen, für bessere Verkehrswege, für moderne Schulen – und auch für die Förderung von Neubau. Damit zahlen alle Berlinerinnen und Berliner drauf.

Und was würde eine Enteignung für die Mieterinnen und Mieter in den betroffenen Wohnungen bedeuten? Während der laufenden Gerichtsverfahren, die eine Enteignung absehbar mit sich brächte, hieße das Unsicherheit auf Jahre hinaus: Wer wäre für meine Wohnung zuständig? An wen wende ich mich bei Reparaturen? Mit wem kann ich einen rechtssicheren Mietvertrag abschließen oder kündigen? Und: darf ich auch dann noch in der enteigneten Wohnung bleiben, wenn ich ein mittleres oder höheres Einkommen habe? Natürlich könnte auch nichts in die Wohnungen investiert werden – beispielsweise für mehr Klimaschutz. Denn für die von der Initiative vorgeschlagenen 4,04 € Miete pro Quadratmeter wäre bereits der Erhalt der Wohnungen kaum finanzierbar.

Außerdem: Wann hat in Berlin ein staatliches Großprojekt innerhalb des Kosten- und Zeitrahmens geklappt? Großprojekte unter staatlicher Ägide stehen in Berlin selten unter einem guten Stern – der BER ist nur ein besonders prominentes Beispiel von vielen. Die Kosten übersteigen regelmäßig die Planungen bei weitem, während der gesteckte Zeitrahmen immer wieder nach oben korrigiert werden muss. Zweifelsohne wäre das auch bei dem extrem komplexen Vorhaben der Fall, eine neue Anstalt des öffentlichen Rechts zur Verwaltung der rund 240.000 enteigneten Wohnungen zu schaffen – zumal vor dem Hintergrund, dass eine solche Anstalt auf der Grundlage extremer Rechtsunsicherheit operieren müsste. Wie sollte sie die Übertragung der Bestände angesichts der mit Sicherheit gegen eine Enteignung angestrengten Gerichtsverfahren  zügig und auch für die Mieterinnen und Mieter verlässlich umsetzen? Wie die Strukturen schaffen, die für eine effiziente Vermietung und Bestandbewirtschaftung eines so großen und diversen Bestandes erforderlich sind?

Klar ist: Ein „Ja“ zur Enteignung gefährdet weitere Investitionen am Standort Berlin – und damit Arbeitsplätze für Berlinerinnen und Berliner. Denn danach wären fundamentalste Eingriffe in das Eigentum per öffentlicher Stimmungsmache immer wieder möglich. Wann träfe es kleinere Wohnungseigentümer? Wann andere Branchen? Berlin würde weit über Deutschland hinaus zum Inbegriff von Investitionsfeindlichkeit und Rechtsunsicherheit.

Es wird Zeit, die Probleme der Stadt zu lösen, anstatt neue zu schaffen. Steigende Mieten und lange Warteschlangen bei  Besichtigungsterminen lassen sich nur durch mehr bezahlbare Neubau-Wohnungen verhindern. Damit die entstehen, braucht es  Zusammenarbeit statt Konfrontation. Zum Beispiel mit einem gemeinsamen Bündnis für Wohnen und Neubau. Deshalb hat die Berliner Wirtschaft eine ganz klare Position: Weiterdenken statt enteignen.

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