Wohnungsbau-Tag: Machbarer Klimaschutz bei Altbauten kostet 3,6 Billionen Euro bis 2045

Für Menschen, die eine Wohnung suchen, wäre es – um es im Kanzler-Jargon zu sagen – ein „Wumms“. Für eine ganze Branche ist es vorher aber eine handfeste Herausforderung: 400.000 Wohnungen sollen in diesem und in den kommenden drei Jahren bundesweit neu geschaffen werden – jede Vierte davon eine Sozialwohnung. Diese Zielmarke hat die Ampel-Regierung gesetzt. Dazu stehen ehrgeizige Klimaschutzziele im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP, die enorme Auswirkungen auf das Bauen und Wohnen haben werden.

Zusammen mit weiteren führenden Organisationen und Verbänden der Bau- und Immobilienbranche hatte der BFW-Bundesverband dazu auf dem 13. Wohnungsbau-Tag 2022 in Berlin ein Konzept vorgestellt, wie diese Herausforderung für ein neues Wohnen gemeistert werden kann. Als Verbändebündnis Wohnungsbau legten sie eine aktuelle Studie des Bauforschungsinstituts „ARGE für zeitgemäßes Wohnen“ (Kiel) vor. Darin setzen die Wissenschaftler beim „Mammutprogramm Wohnen“ der Ampelkoalition auf einen Mix aus mehr Neubau und deutlich mehr Umbau im Gebäudebestand. Das sei – zusammen mit mehr Klimaschutz beim Wohnen – allerdings nur zu erreichen, wenn der Staat eine Reihe von zusätzlichen Steuer-Anreizen setze und KfW-Programme anpasse bzw. neue Förderungen schaffe.

Die Wohnungsbaustudie liefert neben Vorschlägen zur Erreichung der Neubauziele vor allem einen Fahrplan dafür, wie das Wohnen klimaneutral werden kann: Die Wissenschaftler setzen auf mehr Energiespar-Sanierungen bei den knapp 19,3 Millionen Wohngebäuden in Deutschland. Hier fordern sie, einen „Turbo-Gang“ einzulegen: Rein rechnerisch sollte künftig jeder 55. Altbau pro Jahr energetisch komplett modernisiert werden. Bislang ist es nur jedes hundertste Wohnhaus. Damit würde die jährliche Sanierungsrate von derzeit einem auf dann 1,8 Prozent steigen.

Bei der Klimaschutz-Modernisierung fordern die Wissenschaftler der ARGE allerdings, Kosten und Nutzen gründlich abzuwägen, um das Wohnen nicht unverhältnismäßig teuer zu machen. Deshalb favorisieren sie bei energetischen Sanierungen von Gebäuden das Effizienzhaus 115 als Standard. Ein voll sanierter Altbau würde dann beim Energieverbrauch sogar bis auf 15 Prozent an einen Neubau mit seinen heute – im Gebäudeenergiegesetz (GEG) – vorgeschriebenen Standards heranreichen. Beim künftigen Neubau empfiehlt die Studie das Effizienzhaus 70. Schließlich sei es beim Neubau genauso wie beim Modernisieren notwendig, die Ressourcen im Blick zu haben – vor allem auch Fachkräfte und staatliches Fördergeld. Beides sei knapp. Und hier bieten die Effizienzstufen 115 (Altbau) und 70 (Neubau), so die ARGE, einen „machbaren Mittelweg“.

Die jährlichen Kosten für die von der ARGE empfohlenen Energiespar-Sanierungen beziffert die Studie auf bis zu 150 Milliarden Euro pro Jahr – 3,6 Billionen Euro bis 2045. Dann nämlich soll Deutschland klimaneutral wohnen. Ohne zusätzliche grüne Energie fürs Heizen und für Strom wird das allerdings nicht gehen, so die ARGE. Und um die Energiespar-Offensive bei Altbauwohnungen überhaupt erst einmal anzustoßen, muss der Staat Anreize für die Modernisierung setzen: Mindestens 30 Milliarden Euro sind hierfür pro Jahr an Förderung notwendig, so die Empfehlung der Studie.

„Der Schlüssel zum klimaneutralen Wohnen liegt in einer klimaneutralen Energieversorgung, nicht in immer dickeren Wänden und Fenstern. Wir müssen Schluss machen mit der Dämm-Olympiade. Wir müssen breiter denken, echte Technologieoffenheit erlauben und auch fördern. Nah- und Fernwärme, Bio-Methan und vor allem auch Wasserstoff. Ja, die Produktion von Wasserstoff braucht viel Energie. Diese über Elektrizität direkt zu verwerten, ist effizienter. Doch wir müssen Energie eben auch speichern, transportieren und in Bestandsgebäuden nutzen können. Und da bietet Wasserstoff eine Lösung“, erklärte BFW-Präsident Andreas Ibel.

Wir stellen Ihnen die Wohnungsbau-Studie und den Fahrplan zur Klimaneutralität beim Wohnen bei unserem nächsten Arbeitskreis Immobilienmanagement am 26. April vor.