BFW-Umfrage: Große Herausforderungen für ein mögliches Bündnis für Bauen und Wohnen in Berlin

Für die Berliner Parteien scheint das Mittel der Wahl ein Bündnis für Bauen und Wohnen zu sein – so steht es jedenfalls in der ein oder anderen Form in den meisten Programmen zur Abgeordnetenhauswahl 2021. Welche Rahmenbedingungen müsste ein solches Bündnis erfüllen und welche Themen gilt es anzupacken? Das wollte der BFW Landesverband Berlin/Brandenburg im Juli in einer Umfrage von seinen Mitgliedsunternehmen wissen.

Klar ist: Der Wohnungsneubau muss dringend Fahrt aufnehmen. Rund 95 Prozent der BFW-Mitglieder sind auch weiterhin im Neubau in Berlin aktiv. Doch neben stetig steigenden Baupreisen erschweren zahlreiche weitere Faktoren die tägliche Arbeit von Projektentwicklern und Bauträgern in der Hauptstadt.

Besonders die marode Ausstattung in und Zusammenarbeit mit den Ämtern machen den bauenden Unternehmen in Berlin zu schaffen. Das ist ein erstes Ergebnis der im Juli durchgeführten Umfrage unter den BFW-Mitgliedsunternehmen. Rund 85 Prozent der befragten Projektentwickler und Bauträger gaben an, dass vor allem die unzureichende personelle Ausstattung und die bürokratielastigen Verfahrensabläufe in den Ämtern zu Verzögerungen bei der Bautätigkeit führen. Insgesamt gaben rund 95 Prozent der bauenden Unternehmen an, dass eine Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung zwingend in einem möglichen Bündnis thematisiert werden müsste.

Um die tägliche Arbeit der bauenden Unternehmen zu erleichtern und die Zeitspanne von Planung über Antragstellung bis zur Realisierung von Bauvorhaben deutlich zu verkürzen, müsste sich ein Bündnis also dringend mit Maßnahmen zur Effizienzsteigerung bei den Ämtern befassen. Neben mehr fachkundigen Mitarbeitern für die Ämter sehen die BFW-Mitgliedsunternehmen Nachholbedarf bei der Koordination zwischen den verschiedenen Fachämtern (75 Prozent) und bei der Digitalisierung von Verfahrensabläufen (60 Prozent).

Ein Vorbild könnte die Handhabung in Brandenburg liefern: Bei größeren Bauvorhaben kommen hier im Rahmen einer Bauantragskonferenz alle beteiligten Ämter und Akteure zusammen, um die wesentlichen Punkte und offene Fragen zu klären und das weitere Vorgehen zu besprechen. So sind alle Beteiligten direkt auf dem gleichen Stand. Durch die Festlegung von zeitlichen Zielvereinbarungen wird eine effiziente Bearbeitung der Anträge gewährleistet.

Weiterhin erklärten rund 75 Prozent der Unternehmen, erschwerend wirke häufig auch die fehlende Bereitschaft der politisch Verantwortlichen, Entscheidungen zu treffen. Stattdessen gäbe es ausschweifende und unkoordinierte Beteiligungsverfahren mit Bürgerräten. Die häufig ablehnende Haltung der künftigen Nachbarschaft hat bei rund 45 Prozent der befragten Projektentwickler und Bauträger bereits zu deutlichen Verzögerungen bei der Realisierung von Neubauvorhaben geführt.

Auch eine Anpassung und Entschlackung der Berliner Bauordnung gehört aus Sicht der BFW-Mitglieder auf die Tagesordnung eines möglichen Neubaubündnisses in Berlin. Zwar möchte der aktuelle Senat noch in dieser Legislaturperiode eine Reform der Bauordnung durchboxen. Ein Großteil der dabei vorgesehenen Änderungen trägt jedoch keinesfalls zur Erleichterung und Ankurbelung des Wohnungsneubaus in der Hauptstadt bei. Im Gegenteil: Die befragten Projektentwickler und Bauträger halten vor allem die sehr hohen Anforderungen an den Einsatz erneuerbarer Energien (z.B. durch eine Photovoltaikpflicht auf den Dächern) und an die Recyclebarkeit von Baustoffen für besonders problematisch für die Kostenentwicklung im Wohnungsneubau. An zweiter und dritter Stelle folgen die Vorgaben für den Lärmschutz sowie den verstärkten Einsatz von Holz als Baustoff.

Die Auswirkungen steigender Vorgaben für den Wohnungsbau schlagen sich am langen Ende immer auch auf die Mietpreise nieder. Ein Neubaubündnis muss sich deshalb intensiv mit den Folgekosten gesetzgeberischer Entscheidungen auseinandersetzen und einen Austausch zwischen allen Beteiligten auf Augenhöhe ermöglichen.

Auch die Vermieter und Wohnungsverwalter des BFW Landesverband Berlin/Brandenburg haben sich in der Umfrage zu den Themen für ein mögliches Bündnis für Bauen und Wohnen geäußert. Klar ist, dass die energetische Ertüchtigung der Wohnungsbestände für die Erreichung der Klimaschutzziele eine wesentliche Rolle spielt.

Große Hindernisse bei der Umsetzung neuer und gestiegener Anforderungen sehen die Unternehmen aber vor allem bei der Kostenverteilung. Demnach geben alle befragten Vermieter und Verwalter an, dass eine schnelle und flächendeckende Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen daran scheitere, dass die Kosten hierfür überwiegend durch die Vermieter getragen werden müssen und die Modernisierungsumlage begrenzt sei. Rund 43 Prozent geben zudem an, dass die bestehenden Fördermöglichkeiten für die energetische Ertüchtigung von Bestandsgebäuden nicht auskömmlich seien. In einem Bündnis für Wohnen müsste also ausgelotet werden, wie man hier zu fairen Lösungen kommen kann und wie eine zielgerichtete und attraktive Förderung aussehen muss.

Mehr als jeder Zweite Vermieter beklagt zudem, dass die Umsetzung neuer Vorgaben häufig an fehlenden technischen Kapazitäten scheitere. Beispielsweise sei die Leistungsfähigkeit der vorhandenen Stromnetze nicht ausreichend, um den zusätzlichen Strombedarf für Ladestationen für E-Autos zu bewältigen. Ebenso wie der Folgekostencheck von Vorgaben für den Neubau gehören Voruntersuchungen zur technischen Umsetzbarkeit geplanter Maßnahmen vor jedes Gesetzgebungsverfahren.

Ein weiteres Ergebnis der BFW-Umfrage unter den Vermietern und Verwaltern: Rund 86 Prozent der Befragten sehen dringenden Gesprächsbedarf bei der ausufernden Ausweisung von Milieuschutzgebieten in Berlin. Mittlerweile sind per Rechtsverordnungen der Bezirke 69 soziale Erhaltungsgebiete festgelegt. Darunter leidet auch die Gebäudesubstanz, weil Sanierungen und Modernisierungen einer Genehmigung bedürfen und häufig versagt werden. Studien haben zudem ergeben, dass die Ausweisung von Milieuschutzgebieten vielfach auf willkürlichen Faktoren und fehlerhaften Gutachten beruhen. In einem Bündnis für Wohnen gehört diese Praxis aus Sicht der BFW-Mitglieder auf den Prüfstand.